Verschollen auf Feindfahrt

Die Geschichte und das rätselhafte Verschwinden des U-Kreuzers Surcouf

Die Surcouf war ein Schiff, das Rekorde brach – zu ihrer Zeit das größte U-Boot mit einer überaus schweren Bewaffnung und großen Reichweite. Benannt nach dem überaus erfolgreichen Kaperfahrer und Reeder Robert Surcouf (1773 – 1827) aus Saint Malo, war der U-Kreuzer der Stolz der französischen Marine zwischen den beiden Weltkriegen. Hätte es damals bereits das Guinness Buch der Rekorde gegeben, die Surcouf hätte darin einen angemessenen Platz gefunden.

Doch heutzutage kennt kaum jemand den Namen des U-Kreuzers oder spricht über dessen Geschichte. Dabei ist gerade diese Geschichte überaus spannend, geheimnisvoll und tragisch. Vor mehr als einem Dreiviertel Jahrhundert verschwand der mächtige U- Kreuzer auf seiner letzten Fahrt in der Nähe des Panamakanals ohne eine Spur. Bis heute wurde weder das Wrack der Surcouf gefunden, noch die Ursachen der Katastrophe aufgeklärt.

Die Idee, einen U-Kreuzer wie die Surcouf zu bauen, lässt sich bis in den 1. Weltkrieg zurückverfolgen. Das kaiserliche Deutschland stellte mit der U-139 am 18. Mai 1918 eines der größten deutschen Kampf-U-Boote in Dienst . Es übertraf sogar die größten U-Boote der deutschen U-Boot Klasse X im 2. Weltkrieg. U-139 besaß neben sechs Torpedorohren starke Decksartillerie mit mehreren Geschützen. Es war daher sowohl für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg als auch für den Handelskrieg nach Prisenordnung geeignet. Ein mitgeführtes Prisenkommando, bestehend aus einem Offizier und 20 Mann, sollte das Auf- und etwaige Einbringen von Handelsschiffen ermöglichen. Die Entwicklung kam zwar zu spät, um sich noch merklich auf den Kriegsverlauf auswirken zu können, dennoch war U-139 auf seiner ersten und einzigen Patrouillenfahrt im Atlantik überaus erfolgreich. Unter dem Kommando des Kapitäns Lothar von Arnauld de la Periere versenkte U-139 fünf feindliche Transporter.

Die deutschen Entwicklungserfolge blieben bei den Alliierten nicht unbemerkt. Großbritannien entwickelte als Antwort die M-Klasse – U-Boot-Monitore mit der schwersten Geschützbewaffnung in der gesamten U-Boot-Geschichte. Konstruktionsbedingt litten diese Schiffe jedoch unter gravierenden technischen Problemen, die zum Verlust von M-1 1925 vor Plymouth und M-2 1932 westlich der Insel Portland führten.

Die Franzosen hatten bei ihren Entwicklungen mehr Glück. So konnten sie unter anderem eingehend Design und Technik von U-139 studieren, die nach Ende des Ersten Weltkrieges an Frankreich ausgeliefert werden musste. Unter dem neuen Namen Halbronn fuhr der U-Kreuzer noch bis zu seiner Verschrottung im Jahr 1936 für die französische Kriegsmarine.

Aufgrund ihrer kolonialen Interessen in Übersee, forderte die französische Marine hochseefähige U-Boote, die auch für den Handels- oder Kreuzerkrieg geeignet waren. Dabei galt es jedoch, diverse Abrüstungsvereinbarungen der zwanziger Jahre, zu beachten oder besser, zu umgehen. Unter der Leitung von Konteradmiral Jean Leon Roquebert begann der Bau des ersten dieser Boote im Jahr 1927. Einsatzziel seines riesigen Entwurfes sollte die Störung der feindlichen Handelsschifffahrt sein. Ursprünglich waren sogar zwei weitere U-Kreuzer dieser Größenordnung geplant. Dieses Projekt wurde aber nicht umgesetzt. Zwischen 1927 und 1934 entstand das einzige Schiff dieser Art im Arsenal de Cherbourg. Das U-Boot war eine konventionelle Zweihüllenboot-Konstruktion mit Sulzer-Dieselmotoren für die Überwasserfahrt und Elektromotoren für die Tauchfahrt. Der Bootskörper war für Tauchtiefen bis 80 m ausgelegt. Die Alarmtauchzeit des U-Kreuzers war mit zwei Minuten sehr lang. Trotzdem galt die Surcouf für ihre Größe als schnell und beweglich.

Ihre Treibstofftanks fassten genügend Diesel, um dem Schiff eine maximale Reichweite von 19.000 km zu erlauben. Die Vorräte an Bord reichten aus, um bei einer Besatzungsstärke von 118 Man für 90 Tage ununterbrochen auf See zu bleiben.

Eine Besonderheit der Konstruktion war die Möglichkeit, ein eigenes Bordflugzeug mitzuführen. Im hinteren Bereich des Kommandoturmes befand sich ein druckfester Hangar, in dem ein Wasserflugzeug vom Typ Besson MB-411 untergebracht war. Das Flugzeug musste demontiert werden, um es in dem engen Hangar zu verstauen. Der Zeitaufwand für das Ausladen zum Montieren oder Demontieren und Einladen betrug jeweils etwa 30 Minuten. Ursprünglich war auch die Mitnahme eines Motorbootes geplant. Das Boot hatte eine Reichweite von 70 Seemeilen und eine Geschwindigkeit von 18 Knoten. Es sollte wie das Wasserflugzeug der Aufklärung und Artilleriebeobachtung dienen. Eine weitere Aufgabe wäre das Übersetzen von Prisenkommandos gewesen. Später wurde auf das Beiboot verzichtet.

Die Artillerie des leichtgepanzerten Bootes bestand aus zwei 20,3 cm Geschützen in einem begrenzt schwenkbaren Zwillingsturm. Die Geschütze waren zweieinhalb Minuten nach dem Auftauchen feuerbereit und konnten drei Schuss pro Minute feuern. Die maximale Reichweite der Geschütze lag bei 27.500 m. Der Munitionsvorrat umfasste 600 Schuss. Die Feuerleitzentrale war mit einem 4-Meter-Raumbildentfernungsmesser mit einer Reichweite von 12.000 m ausgestattet. Die Fliegerabwehr des U-Bootes setzte sich aus zwei 3,7-cm Flugabwehrkanonen und vier 13,2-mm Maschinengewehren zusammen.

Für Torpedos führte das Schiff acht 55-cm- und vier 40-cm Torpedorohre. Vier 55-cm-Rohre befanden sich im Bug und waren intern nachladbar. Dazu kamen, wie bei französischen U-Booten dieser Zeit üblich, vier 55-cm und vier 40-cm Rohre in schwenkbaren Vierfachsätzen, die außerhalb des Druckkörpers im mittleren und hinteren Teil des Bootes angebracht waren. Die ausgeklappten Rohre behinderten zwar die Trimmung des U-Bootes und vergrößerten den Strömungswiderstand. Auf diese Bauform konnte aber nicht verzichtet werden, da die Steuerungsautomatik der damaligen französischen Torpedos, insbesondere der 40-cm-Torpedos, sehr unzuverlässig war. Die Surcouf war das einzige französische U-Boot, welches die externen Rohre auf hoher See ohne fremde Hilfe nachladen konnte.

Durch seine enorme Größe war der U-Kreuzer auch in der Lage, bis zu 40 Kriegsgefangene aufzunehmen. Die Sourcouf war für den Kaperkrieg entsprechend dem Prisenrecht vorgesehen. Deshalb wurde Raum für die Besatzungen der aufzubringenden gegnerischen Schiffe eingeplant. Mit ihrer großen Reichweite, der schweren Bewaffnung, der hohen Geschwindigkeit und guten Manövrierbarkeit war der U-Kreuzer ein technisch erfolgreicher Entwurf.

In der Praxis aber zeigten sich konstruktive Mängel. So neigte die Surcouf zum „Rollen“ in schwerer See, außerdem erwiesen sich die Sulzer-Diesel als unzuverlässig. Die Dichtungen des Geschützturmes leckten regelmäßig. Aufgrund ihrer langsamen Tauchzeit und des Fehlens von Radar war der U-Kreuzer im Gefecht eine leichte Beute für gegnerische Flugzeuge oder U-Boot-Jäger.

Seit 1935 in Brest stationiert, operierte die Surcouf bis zum Kriegsausbruch vor allem im Atlantik und dem Mittelmeer. Zu Beginn des deutschen Frankreichfeldzuges 1940 befand sich der U-Kreuzer gerade zwecks Überholung in seinem Heimathafen. Nach der französischen Kapitulation sah sich die Crew mit einer konfusen politischen Situation konfrontiert. Abgesehen von den unterschiedlichen Loyalitäten der Mannschaft, befürchteten alle Nachteile für Familien und Freunde durch die Besatzer, sollten sie sich gegen die Deutschen stellen, und der britischen Royal Navy anschließen. Außerdem war es nicht unwahrscheinlich, dass die Besatzung in diesem Fall als Verräter behandelt würde, da die neue Regierung unter Petain deutschfreundlich war.

Am 15. Juni 1940 erfuhr Paul Martin, Kapitän der Surcouf, dass die deutschen Verbände innerhalb von drei Tagen Brest erreichen würden. Trotz des teilzerlegten und wenig seetüchtigen Zustandes der Surcouf befahl er sofortiges Auslaufen. Noch auf ihrem Weg über den Kanal erreichte die Surcouf ein Funkspruch des französischen Flottenadmirals Francois Darlan, der die Rückkehr in den nächstgelegenen französischen Hafen befahl. Dies verunsicherte Kapitän Martin, so dass er, bereits in Sichtweite der englischen Küste, darüber nachdachte, das Schiff besser nach Casablanca oder gar Martinique – damals französische Kolonie in der Karibik – zu führen. Dann erreichte ihn ein weiterer Funkspruch seines direkten Vorgesetzten Le Franc-Guyader, der ihn anwies, seine Fahrt nach England fortzusetzen. Die Surcouf ankerte daraufhin in Plymouth, direkt neben dem französischen Schlachtschiff Paris.

Doch die Sicherheit des englischen Hafens sollte sich als trügerisch erweisen. Hierher hatten sich zwar etliche Einheiten der französischen Marine abgesetzt, doch die meisten von ihnen waren beschädigt und benötigten Reparaturen. Weil die Waffenstillstandsbedingungen die französische Marine unangetastet ließen, stand diese im Gegensatz zum Landheer dem neuen Regime recht wohlwollend gegenüber. Ein möglicher Wechsel an die Seite De Gaulles oder gar eine Übergabe der Schiffe an die Royal Navy wurden allgemein als Landesverrat aufgefasst. Marinebefehlshaber Admiral Darlan hatte zudem die Schiffe erneut zur Rückkehr nach Frankreich aufgerufen.

Die britische Führung unter Churchill beschloss daher, die französischen Marineeinheiten ohne Vorwarnung zu überrumpeln und notfalls mit Gewalt aufzubringen, oder, wo dies nicht möglich sein sollte, zu versenken.

Dies geschah mittels der Operation Grasp (engl. „grasp“ = Zugriff) am 3. Juli 1940. In den frühen Morgenstunden des 3. Juli stürmten Enterkommandos, die aus den Besatzungen der umliegenden britischen Kriegsschiffe und einigen Royal Marines bestanden, die französischen Schiffe. An deren Kommandanten wurden Schreiben übergeben, in denen die Beschlagnahmung als bedauerlich aber notwendig gerechtfertigt wurde, da die Deutschen früher oder später versuchen würden, die französische Flotte zu übernehmen und gegen Großbritannien einzusetzen. Die meisten französischen Schiffe, die in den Häfen Seite an Seite mit überlegenen britischen Kriegsschiffen lagen, verzichteten auf Gegenwehr. Blutig fiel der Widerstand lediglich auf dem U-Kreuzer Surcouf aus. Die französische Schiffsführung traf sich in der Offiziersmesse mit dem Führer des eingedrungenen Enterkommandos, Commander Denis „Lofty“ Sprague (Kommandant des britischen U-Bootes HMS Thames), und dessen Stellvertreter Lieutenant Griffiths. Kapitän Paul Martin wurde erlaubt, das Schiff zu verlassen, um sich mit seinem Vorgesetzten Admiral Cayole zu besprechen, der auf dem nebenan vor Anker liegenden alten Schlachtschiff Paris keinen Widerstand geleistet hatte. In der Abwesenheit des Kommandanten lösten die verbliebenen Besatzungs-mitglieder einen Stromausfall der Beleuchtung aus und versuchten in der Dunkelheit Dokumente und Maschinenelemente zu zerstören. Die Beleuchtung wurde allerdings schnell wieder angeschaltet. Commander Sprague forderte nun die französischen Offiziere auf, sofort das Schiff zu verlassen; jeder der sich weigere, würde erschossen. Die Franzosen entgegneten, nur Befehle ihres Kommandanten zu befolgen. Sprague zögerte, woraufhin einer der französischen Offiziere mit einer versteckten MAB-Pistole das Feuer eröffnete. Sprague und Griffiths wurden sofort tödlich getroffen. Im anschließenden Feuergefecht auf engstem Raum tötete ein britischer Seemann mit aufgepflanztem Bajonett einen der französischen Bordingenieure und wurde daraufhin vom Schiffsarzt erschossen. Die Franzosen gaben schließlich angesichts der Aussichtslosigkeit ihrer Lage auf.

Nach diesem Zwischenfall wurde der Mannschaft der Surcouf angeboten, zwischen einer Rückkehr nach Frankreich oder dem weiteren Dienst auf dem U-Kreuzer zu wählen, der inzwischen von den Briten an De Gaulles neugegründete Free French Navy übergeben worden war. Lediglich 16 Offiziere und Besatzungsmitglieder entschieden sich für den weiteren Dienst auf der Surcouf. Dies repräsentierte übrigens ganz gut die Situation der Franzosen in England. De Gaulles kämpferische Widerstandsrede, die sogar von der BBC übertragen wurde, mobilisierte lediglich um die 2000 potentielle Kämpfer. Dagegen entschieden sich rund 32.000 Mann zur Rückkehr nach Frankreich. Unter ihnen war auch Kapitän Martin. Er wurde durch Pierre Ortoli ersetzt, den Vizekommandanten der Free French Navy. Erster Offizier wurde Kapitänleutnant Louis Blaison, einer der wenigen Freiwilligen von Surcoufs ursprünglicher Mannschaft. Der Rest der Crew setzte sich aus französischen Seeleuten unterschiedlichster Herkunft zusammen. Sie vereinte nur eines – keiner von ihnen war U-Boot-Fahrer, auch nicht Kapitän Ortoli. Kein Wunder, dass der britische Vize Admiral Max Horton die Surcouf am liebsten im Hafen von Plymouth angekettet hätte. Doch De Gaulle überzeugte Churchill, den U-Kreuzer als „Symbol der französischen Größe“ auf den Weltmeeren einzusetzen.

Es ist Horton zu verdanken, dass die Besatzung zumindest Gelegenheit hatte, sich zwei Wochen lang in den Fjorden von Schottland mit dem U-Boot vertraut zu machen. Dennoch war das viel zu wenig, um Crew und Schiff wirklich als einsatzbereit zu bezeichnen. Die Surcouf ging Anfang 1941 mit Ziel Kanada in See. Von dort aus sollte sie alliierte Geleitzüge im Westatlantik eskortieren. Mit sechs Tagen Verspätung erreichte der U-Kreuzer sein Ziel, und verbrachte den nächsten Monat für zusätzliche Reparaturen in der Werft. Während dieser Zeit ordnete Kapitän Ortoli an, dass jedermann an Bord zu bleiben habe. Er schuf damit eine sehr unkomfortable Situation für seine Crew, die in der gedrängten Enge des U-Kreuzers ausharren musste. Außerdem zog er sich das Misstrauen seiner Gastgeber wegen dieser seltsamen Zurückhaltung zu. Die Gerüchteküche brodelte, erste Legenden entstanden um die Surcouf. Einer wollte wissen, dass deutsche Spione an Bord sein, andere warfen der Besatzung Sympathien für Vichy Frankreich vor.

Ausgerechnet am 1. April 1941 begann die Surcouf ihre erste Fahrt als Konvoi-Eskorte. Die Unerfahrenheit ihrer Crew brachte den U-Kreuzer und die zu eskortieren Schiffe mehrfach in gefährliche Situationen, so dass sich die Mannschaften der Handelsmarine besorgt zu fragen begannen, ob die Surcouf ein wirklicher Schutz oder nicht vielmehr eine unberechenbare Gefahr für ihre Schiffe sei. Als er von den Schwierigkeiten erfuhr, zog Admiral Horton die Surcouf vom Geleitschutz ab, und beorderte sie zur Davenport Marine Basis in Plymouth. Dieser Befehl sollte sich als fatal erweisen. Deutsche Fliegerkräfte griffen Plymouth kurz darauf an. Auch die Surcouf erlitt dabei Verluste. Ein Seeman fiel, sechs weitere wurden verwundet. Das Bordflugzeug der Surcouf und auch das Aufklärungsbeiboot erhielten zahlreiche Treffer. Sie mussten aufgegeben werden. Die Moral der Besatzung, welche nach wie vor unter äußerst beengten Umständen an Bord zu hausen gezwungen war, litt erheblich unter den Vorfällen. So mancher glaubte inzwischen, das Schiff sei verflucht.

 

 

 

 

 

 

U-Kreuzer Surcouf

 

 

 

 

Admiral Emilie Muselier und
ein Teil der Crew

 

 

 

 

De Gaulle und die Surcouf

 

 

 

 

 

Geschütztürme der Surcouf

 

 

 

 

Der-Flugzeughangar

 

 

 

 

Im Maschinenraum der Surcou

 

 

 

 

Kartenmarkierung
des Zusammenstoßes

 

 

 

 

Beschädigung am Bug
der Thompson Lykes

 

 

 

 

Reparatur der Surcouf

 

 

 

Sourcouf erneut zur Reparatur

 

 

 

Surcouf in Halifax Nova Scotia

 

 

 

Surcouf in schwerer See

 

 

 

Training auf dem Holy Loch

 

 

Schreiben von Cousteau
an den amerikanischen Historiker
Julius Grigore vom 08. Januar 1980

Auch Admiral Horton stand unter Druck, war er doch gezwungen, aufgrund der Wünsche De Gaulles und Churchills eine angemessene Mission für die Surcouf zu finden. So entschloss er sich, den U--Kreuzer in den Südatlantik zu entsenden, einer Region, wo ihm keine Gefahr von deutschen Kampffliegern drohte, jedoch deutsche Kaperschiffe unterwegs waren, um den alliierten Nachschub zu behindern. Wer weiß, vielleicht vermochten die gewaltigen Geschütze der Surcouf es ja, eines oder mehrere der feindlichen Schiffe zu versenken. Das würde auch die Moral der Besatzung heben, und sie kampfentschlossener werden lassen.

So ging die Surcouf am 14. Mai 1941 mit Kurs auf die Bermudas in See, wo sie einen Monat später ankam. Bereits am 30. Juni trat sie ihre erste Patrouillenfahrt an. Diese geriet jedoch zum kompletten Desaster. Drei Kurzschlüsse legten nahezu die komplette Elektrik des Schiffes lahm, und verursachten darüber hinaus ein Feuer im Geräteraum. Vor einem Tauchmanöver wurde eine Luke am Kommandoturm nicht richtig verschlossen. Diese Nachlässigkeit verursachte einen Wassereinbruch, der die Batterieräume flutete, und hochgiftiges Chloringas im Innern des Schiffes freisetzte. Es glich einem Wunder, dass die Besatzung der Surcouf hierbei keine Verluste erlitt. Schon am 20. Juli 1941 kehrte der angeschlagene U-Kreuzer nach Bermuda zurück.

Die Vereinigten Staaten billigten der Surcouf Vorrang bei einer routinemäßigen Überholung zu, die in der Werft von Portsmouth in New Hampshire erfolgen sollte. Der U-Kreuzer kam am 28. Juli 1941 in der amerikanischen Werft an. Bei den anstehenden Arbeiten zeigt sich deutlich, dass die Surcouf dringend eine komplette Überholung benötigte, die letztlich weitaus mehr als die ursprünglichen Baukosten des Schiffes verschlang.

Diese Umstände und die lange Liegezeit des Schiffes sorgten für eine weitere Verschlechterung der Moral an Bord. Dazu kam, dass im nahen Kanada eine starke Vichy freundliche Bewegung existierte, und Präsident Roosevelt angeblich De Gaulle und seiner Bewegung Freies Frankreich nicht vertraute.

Kapitän Ortoli wurde in dieser Zeit seines Postens enthoben, und durch den ersten Offizier Blaison ersetzt. Die Surcouf steuerte danach endlich wieder Bermuda an, doch nur, um bereits am 7. Dezember 1941 nach Halifax zurückzukehren. Dort nahm der U- Kreuzer an einer verdeckten Operation der Free French Navy teil. Diese eroberte im Handstreich und ohne Blutvergießen die beiden kleinen Inseln Saint Pierre und Miquelon vor der Südküste Neufundlands, die sich bislang im Besitz von Vichy-Anhängern befanden. Diese Inseln besaßen strategische Bedeutung, da sie sich unweit des Sammelpunktes der alliierten Konvois befanden, die England mit Nachschub versorgten. Die Kommandoaktion der Freifranzosen verärgerte sowohl England als auch Amerika, welches das Vichy-Frankreich unter Petain offiziell diplomatisch anerkannt hatte, und De Gaulles Freifranzosen geflissentlich ignorierte. Gerüchte machten die Runde, denen zufolge die Surcouf einen amerikanischen Zerstörer angegriffen, und dabei zwei Marines getötet hätte. Diese unbewiesene Geschichte schürte erneutes Misstrauen gegen den Stolz der freifranzösischen Marine. Doch Präsident Roosevelt erklärte die ganze Aktion zum „Sturm im Wasserglas“, und kümmerte sich lieber um den Feldzug gegen das kaiserliche Japan, mit dem sich die USA offiziell seit dem 08. Dezember 1941 im Krieg befanden.

Während die Surcouf am 03. Februar 1942 wiederum von Halifax zu den britischen Bermudas verlegt wurde, sandte der britische Admiral Sir Charles Kennedy-Purvis eine geheime Botschaft an Admiral Horton. Darin erklärte er, dass die Besatzung der Surcouf keinesfalls vertrauenswürdig sei, da es an Bord zu viele Vichy-Sympathisanten gebe. Der Admiral ging sogar soweit, den U-Kreuzer als wertlos für britische maritime Operationen zu bezeichnen, der sich künftig allenfalls als Last für die Briten erweisen würde.

Daraufhin entschloss sich Horton, die Surcouf nach Tahiti zu verlegen, wo sie mit ihrer starken Artillerie die Inseln gegen eine mögliche japanische Invasion verteidigen sollte. Bei diesem Einsatz würde auch die – möglicherweise schwankende – Loyalität der Besatzung keine große Rolle mehr spielen.

Am 12. Februar 1942 verließ die Sourcouf Bermuda in Richtung Colon an der Küste Panamas, um von da aus den Panamakanal zu erreichen. Nach dessen Passage würde das Schiff im Pazifik Kurs auf Tahiti nehmen.

Der U-Kreuzer musste dabei ohne Eskorte Gewässer durchqueren, in denen deutsche U- Boote erfolgreich operierten. Auch die Amerikaner versagten Luftunterstützung, sondern informierten lediglich ihre Einheiten über die Route des Franzosen, damit dieser nicht zufällig für ein deutsches U Boot gehalten und angegriffen würde.

Da wieder einmal technische Probleme das Schiff plagten, und nur ein Elektromotor für die Unterwasserfahrt zur Verfügung stand, wurde die Surcouf gezwungen, den Weg aufgetaucht zurückzulegen. Ihre Marschgeschwindigkeit war dabei auf maximal 10 Knoten (rund 18 km/h) begrenzt.

Nach dem Auslaufen von Bermuda hielt der U-Kreuzer wie vorgeschrieben Funkstille. Es sollte seine letzte Fahrt werden. Die Surcouf kam nie in Colon an. Sie verschwand, ohne eine Spur zu hinterlassen. Kein Wunder, dass zahlreiche, einander zum Teil wider-sprechende Theorien über ihr Ende existieren.

Was war mit dem U-Kreuzer tatsächlich passiert?

Als wahrscheinlichste Erklärung dient der Zusammenstoß des amerikanischen Frachters Thompson Lykes in der Nacht des 18. Februar 1942 mit einem unbekannten Schiff, möglicherweise einem U-Boot, welches versank, ohne Spuren zu hinterlassen. Die Thompson Lykes war von der U.S. Army gechartert, und befand sich von Colon aus auf der Fahrt nach Guantanamo Bay auf Kuba. Um 23:28 Uhr nahm der Ausguck des Frachters ein weißes Licht an Steuerbord wahr. Kurz darauf erschien das Licht direkt in Fahrtrichtung der Thompson Lykes, noch bevor ein Ausweichmanöver eingeleitet werden konnte. Unmittelbar darauf rammte der Frachter etwas, das deutlich tiefer als er im Wasser lag. Dem Zusammenstoß folgte nach wenigen Sekunden eine laute Explosion auf dem anderen Schiff, aus dem Flammen schossen, die unmittelbar darauf vom Wasser erstickt wurden. Einige Besatzungsmitglieder der Thompson Lykes glaubten, kurz verzweifelte Hilferufe auf Englisch zu hören. Kapitän Henry Johnson ließ die Navigationslichter des abgedunkelt fahrenden Frachters einschalten, und aktivierte sogar Suchscheinwerfer. Doch es fanden sich weder Überlebende noch Wrackteile. Lediglich ein Geruch von Schweröl lag in der Luft, und ein leichter Ölteppich markierte die Stelle des Zusammenstoßes. Obwohl die Thompson Lykes bis 10:45 Uhr am folgenden Tag ihre Suche fortsetzte, blieb diese ergebnislos. Anschließend begab sich der Frachter im Geleit eines US-Zerstörers nach Colon, um die notwendigen Reparaturen ausführen zu lassen. Merkwürdigerweise erwiesen sich die Beschädigungen am Bug der Thompson Lykes als gering. So gering, dass erhebliche Zweifel an einem Zusammenstoß mit einem U-Schiff von der Größe der Surcouf bleiben. Auch die Augenzeugenberichte der Besatzung sprechen von einem Objekt, welches erheblich kleiner war, als der französische U-Kreuzer. Und warum sollte die Besatzung der Surcouf, die nachgewiesenermaßen sehr schlechtes Englisch sprach, ausgerechnet in dieser Sprache um Hilfe rufen?

Eine Untersuchungskommission der amerikanischen Küstenwache kam zu dem Schluss, dass der Zusammenstoß ein Unfall gewesen sei. Demnach habe die abgedunkelt fahrende Thompson Lykes unabsichtlich ein ebenfalls abgedunkelt fahrendes Schiff, möglicherweise ein U-Boot, gerammt. Der Zusammenstoße erfolgte den Beschädi-gungen am Bug des Frachters zufolge im Bereich hinter dem Turm des U-Bootes. Dort befanden sich bei der Surcouf an Deck die Torpedorohre. Sofern diese geladen waren, würde das zwar die beschriebene Explosion erklären. Da diese jedoch außerhalb des Druckkörpers der Surcouf erfolgte, kann auch sie nicht die Ursache für ein derart schnelles Sinken des gewaltigen U-Kreuzers gewesen sein.

Da jedoch im fraglichen Zeitraum in dieser Meeresgegend kein deutsches, amerikanisches oder britisches U-Boot verloren ging, akzeptierte schließlich auch De Gaulles freifranzösische Marine offiziell den Zusammenstoß mit der Thompson Lykes als Ursache für den Verlust der Surcouf.

Doch diese Version hinterlässt mehr Fragezeichen als Antworten. So hat der Autor und investigative Journalist James Rusbridger – ein ehemaliger Mitarbeiter des MI 6 - der im Jahr 1994 unter mehr als mysteriösen Umständen in Bodmin Moor zu Tode kam, in seinem Buch „Who sank Surcouf?“ überzeugend dargelegt, dass der französische U-Kreuzer aufgrund seiner eingeschränkten Manövrierbarkeit keinesfalls zu der Zeit an dem Ort sein konnte, an dem sich die Thompson Lykes befand. Auch bei günstigsten Umständen und ohne weitere technische Probleme hätte sich die Surcouf allein schon aufgrund ihrer begrenzten Marschgeschwindigkeit niemals in dem Meeresbereich aufhalten können, den die Thompson Lykes befuhr.

Meines Wissens ist in diesem Zusammenhang noch nie diskutiert worden, ob die Thompson Lykes möglicherweise ein Schmugglerboot gerammt hat. Der Schmuggel von Alkohol, Tabak und so manch anderer Ware aus der Karibik in die Vereinigten Staaten war nicht nur zur Zeit der berüchtigten Prohibition ein glänzendes Geschäft. Vielleicht war es eines dieser Boote, das von dem amerikanischen Frachter in den Grund gebohrt wurde. Dies würde zumindest erklären, warum es keine Verlustmeldung gab. Eine Suche am bekannten Ort des Zusammenstoßes der Schiffe könnte klären, welches Wrack dort seit einem Dreivierteljahrhundert auf dem Meeresboden ruht.

Eine andere Erklärung stellt darauf ab, dass sich die Briten die als unzuverlässig erachtete Surcouf samt Besatzung vom Halse schaffen wollten. Dazu hätten britische Kampftaucher beim letzten Aufenthalt des U-Kreuzers auf Bermuda zwei Haftminen an der Außenhaut des Schiffes angebracht, die dann auf hoher See gezündet wurden. Als Beweis für diese Version dient ein nicht näher erklärter Brief des amerikanischen FBI Direktors J. Edgar Hoover an den Direktor des Marinegeheimdienstes, der vom 12. März 1942 datiert. Darin schrieb Hoover, dass „gemäß einer sehr vertraulichen Quelle die Surcouf vor der Küste von Martinique am 3. März 1942 versenkt wurde“.

Dies ist zumindest nicht ganz auszuschließen, da sich auf Martinique zu dieser Zeit ein Teil der französischen Goldreserven (225 Tonnen) befand, die während des deutschen Frankreichfeldzuges an Bord des Kreuzers Emile Bertin von Brest aus dorthin verbracht worden waren. Tatsächlich befürchteten die Briten schon seit längerer Zeit, die Surcouf würde das von Vichy-Anhängern gehaltene Martinique ansteuern, um sich des Goldes zu bemächtigen. Außer Hoovers Brief gibt es jedoch keine weiteren Belege für diese Erklärung.

Der französische Ozeanologe und Dokumentarfilmer Jacques Yves Cousteau soll 1967 den Lageort des Wracks der Sourcouf ausfindig gemacht und betaucht haben. Wenn dies zutrifft, so hüllte er sich jedoch über mögliche Funde in Schweigen. In dem Zusammenhang ist ein Schreiben von Cousteau an den amerikanischen Historiker Julius Grigore vom 08. Januar 1980 erwähnenswert, in dem Cousteau erwähnt, seine Calypso und deren Taucher seien für eine Suche nach dem Wrack der Surcouf nicht zu gebrauchen, denn dieses läge mehr als 1000 Faden (also mehr als 1.800 m) tief. Es ist eine interessante Frage, woher Cousteau die Meerestiefe am Lageort der Surcouf kannte.

Ins Reich der Legende hingegen gehört wohl die Idee, dass die Surcouf vom sagenhaf-ten „Bermuda Dreieck“ verschluckt worden sei, oder von Aliens entführt wurde.

Viel wahrscheinlicher ist, dass der U-Kreuzer gemäß des vorgeschriebenen Marschplanes, wenn auch mit erheblicher Verspätung, die Gewässer Panamas erreichte. Noch immer hielt die Surcouf vorschriftsmäßig Funkstille. Das sollte ihr zum Verhängnis werden.

In Panama war zu jener Zeit die 6. Schwere Bombergruppe der 6. Luftwaffe der USAAC bei Rio Hato stationiert. Nach Ausbruch des Krieges mit Japan herrschte hier nervöse bis angespannte Stimmung, zumal auch immer wieder Aktivitäten deutscher U-Boote vor Panama registriert wurden. Die Amerikaner befürchteten einen Angriff auf den Panamakanal, den Lebensnerv Amerikas. Am 19. Februar 1942 erreichte die 6. Schwere Bombergruppe der Befehl, ein U-Boot im Sektor R 13 anzugreifen, der den Archipel von San Blas vor Panamas Ostküste umfasste. Drei Bomber stiegen auf, und warfen ihre Last – insgesamt acht 50 kg-Bomben, auf das U-Boot ab, von dem sie annahmen, es sei entweder ein deutsches oder japanisches Boot. Allen Bomberbesatzungen fiel die außergewöhnliche Größe des angegriffenen Schiffes auf. Der Angriff war erfolgreich, das unbekannte Schiff wurde versenkt.

Weder die deutsche noch die japanische Marine meldete jedoch den Verlust eines Bootes in der betreffenden Region zu der fraglichen Zeit. Lediglich die französische Surcouf ging in diesem Zeitraum verloren. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass sie das unbekannte Boot vor San Blas war. Sie soll vor der kleinen Insel Chi Chi Mey auf dem Meeresgrund ruhen. Dazu passen auch die Berichte der Cuna Indianer, die den Archipel von San Blas bewohnen. Sie erzählten von einem großen, halb versunkenen Schiff, das vor San Blas Point auftauchte, und von amerikanischen Bombern attackiert wurde. Das fremde Schiff versank, und das Meer spülte die Leichen seiner Besatzung an Land. Diese wurden von den Cunas auf dem Guaca Friedhof beigesetzt – dem Friedhof der Fremden. Heute hat der Dschungel die Gräber überwuchert.

Ein Dreiviertel Jahrhundert nach ihrem Verschwinden ist das Schicksal der Surcouf noch immer so geheimnisvoll und wenig greifbar wie das des Fliegenden Holländers aus der Sage.

Die möglichen Lageorte des Wracks der Surcouf sind bekannt, und konnten auf wenige Quadratkilometer eingegrenzt werden. Der nächste Schritt zur Lösung des Rätsels der Surcouf wird eine Suche vor Ort sein. Mit modernster Technik gelang es in den letzten Jahrzehnten, die Wracks der Titanic, der Musashi, der Yamato und der Hood aufzufinden. So ist es nur eine Frage des Willens und der Zeit, bis dies auch im Fall der Surcouf gelingen wird.

Dresden, Dezember 2019 # Thomas Ritter


Verwendete Literatur

Grigore, Julius, The Surcouf Conspiracy, iUnivers, Bloomington, USA, 2011

Kelshall, T Gaylord, U-Boot-Krieg in der Karibik, Mittler in Maximilian Verlag, 1999

Rusbridger, James, Who sank Sourcouf? Century, London Sydney, Auckland, Johannesburg, 1991

 

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