Megalithbauten in der Sahara – Tor zu den Sternen?

© Christian Brachthäuser:

Beitrag aus Jenseits des Irdischen, Ausgabe 3/2006


Geheimnisvolle Megalithmonumente, prähistorische Grabhügel und astronomisch ausgerichtete Stein-kreise: Tief im Herzen der Sahara schlummert ein derartiger Reichtum an faszinierenden Kultur-denkmälern, dass manche Forscher gar das sagenhafte Atlantis in der größten Wüste unseres Planeten vermuteten. Tatsächlich schlummert unter den Sandmeeren das Vermächtnis einer verschollenen Hochkultur mit sensationellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Astronomie.
Wer waren die Erbauer dieser rätselhaften Konstruktionen?
Wozu errichtete man diese Monumente? 
Die unterschiedlichsten Disziplinen und Instrumentarien der Philologie, Archäologie und Paläogeografie wurden in den vergangenen Jahrhunderten zur Anwendung gebracht, um die Komplexität des faszi-nierenden Rätsels zu eruieren und die Frage nach einer blühenden prähistorischen Zivilisation in der Sahara im neuzeitlichen Gewand der Wissenschaften rekonstruieren zu können. Gerade in diesem 9 Mio. km2 großen und von Extremen gezeichneten Landschaftsraum ein schwieriges, buchstäblich schweiß-treibendes Unterfangen. Tatsächlich besteht die Sahara nur zu annähernd 10 Prozent aus jenen eindrucks-vollen Dünenlandschaften, die einem das Gefühl suggerieren, man befände sich inmitten tosender Wellen aus Myriaden Sandkörnern. Die restlichen 90% bestehen aus trostlosen Geröll- und Kieswüsten, ausgetrockneten Flussbetten, mit messerscharfem Blockschutt überzogenen Gesteinsebenen, ausufernden Saltonflächen, großflächigen Senken oder erodierten Bergländern mit bizarren Basaltsäulen und monolithischen Vulkanstümpfen. Keine angenehmen Gegenden also, um vor Ort nach den Altertümern einer vergessenen Epoche der Menschheitsgeschichte zu forschen – erst recht, wenn man sich vor Augen hält, dass an manchen Orten der Sahara nur 1,9 mm Niederschlag pro Jahr registriert werden und an 340 Tagen gnadenlos die Sonne vom Himmel herniederbrennt. Zuweilen ist die flirrende Hitze über der Sahara so immens, dass die spärlichen Regentropfen auf ihrer Reise durch die verschiedenen Luftschichten verdunsten, noch ehe sie die ohnehin hyperaride Erdoberfläche erreichen.
Wie kommt es also, dass gerade in diesen Breitengraden geheimnisvolle Megalithbauten einer verschollenen Zivilisation vorzufinden sind?
Oftmals wird die historiografische Verbindung des Atlantis-Mythos mit dem subsaharischen Raum Nordafrikas bei all den Spekulationen, kontroversen Debatten und neuen Forschungsresultaten ins Spiel gebracht. Seit 1868, als der britische Altertumsforscher D.A. Godron seine Theorie publizierte, wonach das legendäre Inselimperium von Atlantis in der einstmals grünen und fruchtbaren Sahara existierte, haben ganze Heerscharen von Forschern versucht, in den endlosen Sandmeeren und antiken Oasenstätten der Sahara die bühende atlantidische Hochkultur zu lokalisieren. [1] 
Faszinierende Funde aus Archäologie und Paläoanthropologie legen tatsächlich nahe, dass vor vielen Jahrtausenden in dem heute ausgetrockneten Subkontinent aus bizarren Felsmassiven und gewaltigen Sandmeeren tatsächlich klimatische Gunsträume und riesige Binnengewässer existierten, die zur Entstehung einer blühenden Kultur beigetragen haben konnten. [2]
Überall in der Sahara – angefangen von marokkanischen Fundstätten im Atlas-Gebirge, den Felsgravuren in Libyen und Algerien, den künstlerisch wertvollen Darstellungen im nigrischen Air-Massiv bis hin zu den Felsbildern im Tibesti-Hochland des Tschad finden sich vorgeschichtliche Illustrationen, Ritzzeichnungen und Petroglyphen von unvorstellbarer Ausdrucksstärke. Sie zeigen neben Szenen aus dem Alltagsleben der prähistorischen Saharabewohner, Bootsdarstellungen und schwimmenden Menschengruppen auch Elefanten, Nashörner, Giraffen, Fische oder Krokodile – Tiere also, die wir eher in fruchtbaren Savannen und Gewässerlandschaften vermuten würden als in einer staubtrockenen Wüste. [3] An den Ufern gewaltiger Binnenmeere und mäandernden Flüssen siedelten sich Menschen an und machten Jagd auf Wale, Fischschwärme und Krebse, die in den Gewässern lebten. Italienische Archäologen entdeckten im libyschen Acacus-Gebirge sogar jahrtausendealte Angelhaken und Harpunen, wo sich heute nur ödes Felsland und Sandverwehungen befindet. [4] 
Das bedeutet nichts anderes, als dass trotz der periodischen Klimaschwankungen seit dem 9. vorchrist-lichen Jahrtausend von einer sukzessiven Kulturenwicklung in der Sahara die Rede sein kann, die sich nicht nur in prachtvollen Felsmalereien, sondern auch in rätselhaften Megalithbauten niederschlug. 
Steinkreise existieren wie Tumuli (Grabhügel) oder Menhire natürlich praktisch auf der ganzen Welt und sind – wie auch die Pyramidenstätten – ein Beleg für die erstaunliche Kongruenz archäologischer Relikte. Trotz kontinentaler Unterschiede zwischen den spezifischen Kulturkreisen kann man dieses Phänomen auf dem ganzen Globus bestaunen: Ob nun auf dem indischen Subkontinent (dort gibt es beispielsweise kreisförmige Steinformationen in Brahmagiri, südlich der Flüsse Narmada und Godavari; Jiwaji, im Distrik Raichur; Karanguli, im Distrikt Madurantakam südlich von Madras), in Südamerika (der Steinkreis von Sillustani auf der peruanischen Seite des Titicaca-Sees, der Steinkreis von Quebrada an der peruanisch-equadorianischen Grenze bei Queneto), im pazifischen Raum (so z.B. in Australien und Japan) oder in Form der mystischen „Medicine-Wheels“ in Nordamerika. [5]
Nicht zu vergessen die rätselhaften Zeugnisse einer unbekannten Megalithkultur in den westafrikanischen Savannen von Senegal und Gambia. Zwar sind sie im Vergleich zu den jungsteinzeitlichen Megalithbauten Europas lange nicht so alt – archäologischen Untersuchungen zufolge stammen die Funde etwa aus dem
7. Jahrhundert (+/-zwei Jahrhunderte) –, doch weisen auch die Steinkreise in Westafrika gigantische Dimensionen auf. So variiert die Höhe der mehrere Tonnen wiegenden Menhire zwischen sechzig Zentimetern und drei Metern. Diese imposanten Ausmaße werden erst recht deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass man im Grenzgebiet vom Senegal zu Gambia, östlich des Ortes Kaolack, 30.000 (in Worten: dreißigtausend!) dieser Megalithen ausfindig machen konnte – in der Tat eine gewaltige Megalithkultur. [6]
Von einer solchen Megalithkultur kann in der Sahara zwar keine Rede sein, jedoch erstaunt auch in diesem Landschaftsraum die Vielzahl von prähistorischen Relikten, die kreisförmig konzipiert wurden: angefangen von dem Kromlech (Steinkreis) von M´zoura in Marokko über die Steinkreise im Gebiet des Djebel Uweinat im libysch-ägyptisch-sudanesischen Grenzgebiet bis hin zu den astronomisch ausge-richteten Steinsetzungen im südägyptischen Nabta. Der Steinkreis von M´zoura liegt bei dem Dorf Souk-Tnine-de-Sidi-el Yamani an der Straße von Larache nach Tetouan. Etwa 200 aufgerichtete Steine, zum Teil bis zu sechs Meter hoch, bilden einen Kreis von 55 Metern Durchmesser. [7] Im Assassou-Tal bei Djanet befinden sich mehrere Steinkreise mit bis zu fünf Meter im Durchmesser in unmittelbarer Nähe zu jahrtausendealten Felsmalereien in den Höhlen der Felstürme dieser Region. Auch nordöstlich von Tamanrasset kann man inmitten eines Wadis, an dessen Ufer mit zahlreichen Gravuren versehene Granitblöcken liegen, einen aus vier konzentrischen Reihen bestehenden Steinkreis bestaunen. [8]
Schon die frühen Forschungsreisenden im 18. und 19. Jahrhundert notierten voller Erstaunen die Existenz dieser uralten Steinkreise und ringförmigen Begräbnisstätten aus vorislamischer Zeit. Stellvertretend seien hier die Ausführungen des deutschen Sahara-Forschers Erwin von Bary aus dem Jahre 1876 zitiert:
„Den 24. October Vorm. 10 Uhr trennten wir uns von den Imrhad und durchzogen die buschreiche Ebene, bis wir 11 ½ Uhr an obige schwarze Berge kamen. Von da an wurde unsere Wegrichtung 323 °. Vor uns hatten wir einen Streifen niedriger Dünen. Zur Linken unseres Weges bemerkte ich auf einem Hügel mehrere Ruinen von Grab-Tumuli. Ich ritt vom Wege ab und fand innerhalb des früheren Tumulus, von dem gegenwärtig nur noch ein Kreis der untersten Steine übrig ist, zwei wohlerhaltene Kammern, die von Steinplatten gebaut waren und offenbar früher Leichname in kauernder Stellung zusammengebunden enthielten, denn sie sind ziemlich quadratisch und so eng, dass in keiner andern Stellung ein menschlicher Körper darin Platz finden kann. Die Tuareg nennen diese Ruinen 'e debbeni' und kennen recht wohl ihre Bedeutung, da sie beim Suchen nach Schätzen stets menschliche Gebeine trafen und oft Armspangen, irdenes Geschirr und dergleichen fanden. Leider konnte ich keinen Fund zu Gesicht bekommen. Die ganze Umgegend von Ghat, sowie besonders Tadrart ist reich an diesen Gräbern. Die Tuareg erzählten mir, diese Begräbnisweise sei bei ihnen Sitte gewesen bis zur Einführung des Islam.“ [9]
Selbstverständlich sind Steinkreise in ihrer Gestaltung und Bauweise von den Tumuli (Grabhügeln) zu differenzieren. Trotzdem gehen viele Archäologen heute davon aus, dass auch die prähistorischen saharischen Steinkreise für Begräbnisrituale verwendet wurden. Südlich von Djanet befindet sich das so genannte „Schlüssellochgrab“. Das Zentrum des Rundgrabes wird von einem großen Steinhügel gebildet, der wiederum von zwei konzentrischen Steinkreisen umlaufen wird. Der äußere Steinkreis in diesem Gebilde weist immerhin einen Durchmesser von etwa 25 Metern auf. Vom Zentrum der Grabstätte führen außerdem zwei parallele Steinreihen durch die Kreise nach außen. Ihrer Form wegen wurde dieser Anlage der Titel „Schlüssellochgrab“ verliehen. Es gibt jedoch auch andere Theorien, die sich dem Verwendungszweck dieser ringförmigen Konstruktionen im Wüstensand widmen. Manche Altertumsforscher etwa vermuten in den Steinkreisen die Überreste von Behausungsgrundrissen [10], andere Archäologen wiederum interpretieren die konzentrischen Steinsetzungen als Tiertränke. Mittels einer über die Steine gespannten Tierhaut soll so eine schüsselähnliche Tränke entstanden sein, um beispielsweide die Viehherden mit dem kostbaren Nass zu versorgen. [11]
Etablierte Archäologen zeigen sich von der Vielzahl dieser mysteriösen Steinsetzungen derart irritiert, dass sie sogar ganze Kataloge dieser bis zu 5.000 Jahre alten Monumente in den Sandmeeren und Felsmassiven der Sahara entworfen haben. Wissenschaftler unterscheiden zwischen pyramidenartigen Konstruktionen, Dolmen, Menhirstätten, Monolithalleen, Stelen, konzentrischen Steinkreisen, mondsichelartigen Steinhügeln, Plattformen, hufeisenförmigen Megalithbauten, Steinkreisen mit astronomisch ausgerichteten Auslegersteinen und sogar unerklärlichen Geoglyphen, die in den vergangenen Jahrzehnten erst aus der Luft entdeckt wurden und von oben betrachtet wie „Insektenflügel“ aussehen. [12]
Eine wissenschaftliche Sensation war die spektakuläre Enthüllung, dass der Steinkreis von Nabta, ohnehin eine archäologisch wertvolle Fundstätte einer neolithischen Siedlung im südägyptischen Teil der Ostsahara, vor über 8.500 Jahren(!) ein uraltes astronomisches Observatorium bzw. die älteste Sonnenuhr der Menschheit gewesen sein muss. Die Anlage von Nabta, rund 100 km westlich von Abu Simbel, besteht aus einem vier Meter durchmessenden Steinkreis und fünf Linien aufrecht stehender, bis zu 2,70 Meter hoher Menhire. Eine dieser aus Steinpfeilern bestehende Linie ist exakt in Ost-West-Richtung ausgerichtet, zwei andere wiederum in Nord-Süd-Richtung. Die anderen beiden Linien zeigen auf den Punkt des Sonnenaufgangspunktes zur Sommersonnenwende am Horizont. Im Umfeld des Kreises fanden die Experten weitere Megalithe, die nach Meinung der Forscher diverse Sternbilder wiedergeben könnten. [13] Ein elektrisierter Professor J. McKim Malville von der University of Colorado in Boulder erwähnte in diesem Zusammenhang, dass es sich wohl um „die ältestes Dokumentation von astronomischer Steinsetzung in der Welt“ handeln müsse. Zweifelsohne eine Entdeckung von großer Tragweite, denn Prof. Malville vermutet gar, dass am Rande eines ehemaligen Süßwassersees in Nabta, der sich vor 11.000 Jahren zu füllen begann, ehe er im fünften vorchristlichen Jahrtausend wider austrocknete, die Ursprünge der ägyptischen Hochkultur zu finden seien. [14] Untersuchungen des kalifornischen Physikers Dr. Thomas Brophy ergaben zudem, dass auf der Oberfläche der Steine nicht nur ein detaillierter astronomischer Kalender dargestellt wird, sondern auch eine astrophysikalische Karte, welche die Konstellation des Orion und seiner Gürtelsterne mit erstaunlicher Präzision wiedergibt. Zudem sind nach Dr. Brophy innerhalb der komplexen Anlage von Nabta die Bewegungen der Milchstraße markiert, die nur alle 25.900 Jahre vorkommen. Eine noch erstaunlichere Entdeckung machte Dr. Brophy an einem behauenen Grundstein der megalithischen Anlage: Er zeigt offenbar ein Bildnis der Milchstraße, wie sie vor rund 19.000 Jahren ausgesehen hat – und zwar aus einer Perspektive, die der Mensch auf der Erde nie gehabt haben kann! [15]
Wie kamen die Bewohner der Sahara vor Tausenden von Jahren zu diesen bemerkenswerten Erkenntnissen? Betätigte sich eine prähistorische Zivilisation von Astro-Konstrukteuren in der Ostsahara als Lehrmeister für die spätere ägyptische Hochkultur? Oder lagen der Errichung einer solch einzigartigen megalithischen Sternenkarte andere, im wahrsten Sinne des Wortes außerirdische Faktoren zugrunde? Was ist mit den riesigen, scheinbar schwerelos im Raum schwebenden Figuren, die auf den Wänden des algerischen Tassilli-Massivs gemalt und von ihrem Entdecker, dem französischen Felsbildforscher Prof. Henri Lhote, als "Marsgötter" bezeichnet wurden? Bei dem Steinkreis von Nabta handelt es sich zweifelsohne um eine sensationelle Hinterlassenschaft einer verschollenen prähistorischen Kultur in der Sahara. Aber nicht nur das: Es handelt sich um einen Fund, der unter Einbeziehung der Paläo-SETI-Hypothese ungeahnte Perspektiven für die Lösung der noch immer mit vielen Fragezeichen versehenen Geschichte der Menschheit bietet. Zumindest die Anlage von Nabta zeigt: Das Schicksal unseres Planeten und seiner Bewohner ist eng mit dem Kosmos verbunden!


Quellenangaben:

1. Brachthäuser, Christian: Im Reiche des Poseidon. 
Spuren einer versunkenen Zivilisation in Westafrika? Plaidt 2004
2. Brachthäuser, Christian: Palmen, Petroglyphen & Pyramidengräber. Auf der Suche nach einer verschollenen Hochkultur in der Sahara. Groß-Gerau 2004
3. Striedter, Karl-Heinz: Felsbilder der Sahara. München 1984
4. Sahara. 10.000 Jahre zwischen Weide und Wüste. Köln 1978
5. Däniken, Erich von: Die Steinzeit war ganz anders. München 1991
6. Brachthäuser, Christian: Rätselhafte Steinkreise in Westafrika. 
In: Sagenhafte Zeiten Nr. 3/2001
7. Helfritz, Hans: Marokko. Köln 1978 
8. Algerische Sahara. Hrsg. von Gerhard Göttler [u.a.]. Bielefeld 2002
9. Bary, Erwin von: Sahara-Tagebuch 1876-1877. 
Heusenstamm bei Offenbach am Main 1977
10. Czierniesicz, Maya von: Auf halbem Weg in den Tschad - eine ungewollte Odysee durch Nordafrika. In: Heinrich-Barth-Kurier April/2003, S. 5
11. Schmidt, Jürgen: Der Abbu-Ballas-Weg. 
In: Heinrich-Barth-Kurier September/2001, S. 7
12. Tillner, Eike-Olaf: Steinsetzungen, Monumente und Gräber in der Sahara. 
In: Antike Welt - Zeitschrift für Archäologie und Kulturgeschichte. 
12. Jahrgang, Heft 4/1981, S. 14ff.
13. The Egyptian State Information Service, 08.04.2001
14. Sagenhafte Zeiten Nr. 5/1999, S. 7
15. Sagenhafte Zeiten Nr. 3/2003, S. 7

 


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