Das Geheimnis der „gebeamten Madonnen“
© Gisela Ermel

 

Offenbar wurden in der Vergangenheit immer wieder an den verschiedensten Orten Menschen durch rätselhafte Vorkommnisse quasi gezwungen, an einem ganz bestimmten Platz einen Tempel, eine Kapelle
oder etwas ähnliches zu errichten. Anscheinend wünschte Jemand – Unbekannt – dass einige sakrale
Bauten an ganz besonderen Stellen errichtet werden.
Dieser unbekannte Jemand gab sich große Mühe, unseren Altvorderen in ferner und naher Vergangenheit
durch mysteriöse Phänomene nahezulegen, genau dort zu bauen, wo er/sie/es es wollte/n.
Das Phänomen fing bereits in der Antike an und wer weiß wie lange schon vorher. Etliche griechische Kultstätten beispielsweise waren keine ad hoc-Gründungen,
sondern wurden infolge mysteriöser Ereignisse an bestimmten Stellen gegründet. Das älteste Beispiel,
das ich finden konnte, ist Dodona. Dort sprach eine geheimnisvolle schwarze „Taube“ aus den Zweigen
einer Eiche heraus zu einem Holzfäller, Zeus wünsche hier eine Orakelstätte zu haben. Genau hier. Nirgendwo anders. Eine zweite schwarze Taube soll gleichzeitig nach Libyen geflogen sein und dort den Bau eines Orakels des Gottes Ammon verlangt haben. Das war etwa 800 v. Chr. – und die Kultstätten wurden beide dann in der Tat treu und brav genau dort errichtet.

Ein etruskischer Herrscher aus Caere baute um 620 v. Chr. der Göttin Uni einen Tempel an einer ganz
bestimmten Stelle. Ein in Pyrgi gefundenes Goldblech besagt in der Inschrift, das habe er auf Befehl dieser Göttin getan. Selbst römische Götter befahlen ihren „Fans“, da oder dort – aber nirgendwo anders – einen Tempel zu erbauen, untermauert mit der Drohung, falls man nicht gehorche, werde es viele und große Unfälle geben. Das sind nur ganz wenige Beispiele unter vielen, allein aus der Zeit der Antike.
Solche Zwangs-Wunschorte gab es auch im Hinduismus, wo Götter und Göttinnen den Bau von Kult-stätten an gewünschten Plätzen befahlen und mit phantastischen Phänomenen durchzusetzen verstanden.

Oder nehmen wir Mexiko. Die Azteken gründeten ihre Hauptstadt Tenochtitlan nicht irgendwo, sondern an einer ganz genau vorgeschriebenen Stelle, die ihnen zudem noch durch ein göttliches Wunder ange-zeigt wurde. Vorher hatte ihr Gott Huitzilopochtli sie jahrzehntelang kreuz und quer durch die Lande ge-
scheucht, bevor sie endlich den bestimmten Platz erreichten und ihre lange Wanderung beenden durften.
Den Weg hatte dabei eine Stimme aus einem Gegenstand vorgegeben, der ihnen vor Beginn der Wande-rung von Gott Huitzilopochtli übergeben worden war.
Wanderung mit einem „himmlischen Walky Talky“?
Die exakte Wunschstelle hatte dann ein „Zeichen“ vorgegeben: ein Felsblock, auf dem ein Adler mit
einer Schlange in den Krallen saß.

 

Wunschort Tenochtitlan:
Hier gab ein „Zeichen“ die genaue Stelle an, an der die Azteken 1325 nach ihrer langen Wanderung auf Befehl des Gottes Huitzilopochtli seinen Tempel zu erbauen und ihre neue Hauptstadt zu gründen hatten.


Szene aus dem Codex Mendoza.

Auch in Tibet wurden bestimmte Klöster auf Befehl von Göttern oder Göttinnen an bestimmten Plätzen
gegründet.
In Arabien war es eine strahlende Frauengestalt aus „glühendem festen Licht“, die in einer Höhle einen
König bat, hier einen Tempel zu errichten, an einer Stelle, zu der er durch einen „Traum“ geleitet worden
war. Ein Schalk, wer dabei an all die lichtstrahlenden Erscheinungen unserer „Jungfrau Maria“ denkt. Auch im arabischen Fall verschwand das glänzende Weibsbild plötzlich „wie ausgeschaltet“, wie wir das von zahlreichen Marienerscheinungen kennen. Als habe jemand ein Hologramm ausgeknipst.

Mein Lieblingsbeispiel ist natürlich der Fall „Tilma von Guadalupe“. Dort erschien nicht nur eine licht-strahlende Frauengestalt mehrmals vor einem Chichimeken-Indianer, sondern verlangte von ihm und an genau vorgeschriebener Stelle den Bau einer Kapelle. Und als Extra-Bonus gab es noch ein kleines Wünderchen: das Bildnis dieser Erscheinung auf dem Umhang des Indios.
Ein Bild, das heute im meistbesuchtesten Wallfahrtsort der Welt an der Wand hängt, für jedermann sichtbar, in Mexiko City. Ein Bild, dessen Entstehung wir noch immer nicht erklären können: keine Farbspuren auf dem Tuch, und weder Rauch noch Wetter konnten dem Bild bislang etwas anhaben.

Und natürlich baute man damals brav an der Wunschstelle eine Kapelle. An einer Stelle übrigens, wo es
bereits vorher ein Heiligtum der Indianer gegeben hatte, die dort eine Göttin verehrten.
Heute steht dort eine moderne Basilika – der weltweit meistbesuchteste Wallfahrtsort der Welt.
An Dutzenden von Orten – nicht nur in Europa, sondern selbst in anderen Ländern – erschien eine
„Jungfrau Maria“ und verlangte den Bau einer Kirche oder Kapelle an genau vorgeschriebener Stelle.
Die Liste dieser Orte ist lang.
Und es gibt nun nicht nur diese Wunschorte, an denen eine übernatürliche Gestalt den Bau eines Heiligtums befahl, sondern die dort gelagerten Kultobjekte und Statuen entwickeln anscheinend einen
eigenen Willen – weil sie den Ort nämlich nicht verlassen wollen oder nach ihrer Entfernung einfach wieder (niemand weiß WIE) dorthin zurückkehren!
Da gibt es etliche Fälle, für die die Kirchenhistoriker sogar einen Begriff geprägt haben: die „Gespann-
Wunder“. Benannt nach Beispielen, bei denen sich laut Überlieferung eine Marienfigur – natürlich überraschend gefunden – nicht vom Fundort wegbewegen ließ:
Da waren die Zugtiere, die das Fundstück auf einem Wagen in die nächstbeste Kirche transportieren sollten, wie gelähmt und konnten keinen Schritt vom Fleck kommen.
Da waren die Leute, die das Fundstück in die nächste Kirche bringen wollten, wie gelähmt und konnten keinen Fuß vor den anderen setzen.
Offenbar wurden viele dieser Marienstatuen, und was auch immer, keineswegs zufällig gefunden. Da machte ein Traum darauf aufmerksam, oder seltsame Stimmen oder merkwürdige Lichter, oder das Ding kam gegen den Strom im Wasser entlang geschwommen (und war nicht nass!!!), ob im Busch, im Wald, am Strand, im Erdboden, bei einer Quelle, im Brunnen oder sonstwo: Stets machte ein rätselhaftes Phänomen die Leute neugierig, und wenn sie dann an der Stelle schauten, was da los ist – voilà fanden sie ein Kultobjekt!
Am meisten faszinieren mich die Schilderungen über das überraschende und rätselhafte Auftauchen von
Kultobjekten, die, in die nächstliegende Kirche oder Kapelle gebracht, sich heimlich bei „Nacht und Nebel“ aus dem Staub zu machen pflegten. Sie verschwanden auf unerklärliche Weise und wurden danach am Fundort wieder entdeckt. Leblose Gegenstände, die herumteleportieren oder von Unbekannt weggebeamt werden?
Logo, dass ich als eingefleischter Star Trek-Fan auf dieses Motiv „voll abfuhr“. Doch wer war der unbekannte „Scotty“?
Da noch niemand diese Schilderungen beschrieben, gesammelt, ausgewertet oder sonstwie einer näheren Erforschung für wert gehalten hatte, musste ich einen neuen Begriff für das Phänomen bilden und entschied mich für „Beam-Madonnen“.
Allein in Deutschland gibt es mehrere Orte, an denen sich eine auf rätselhafte Weise gefundene Madonna an den Fundplatz zurück „beamte“. Und zwar so oft und so lange, bis die braven Kirchenschäfchen eine Kapelle an den Fundplatz – sprich Wunschort – bauten.
Wenn sich das Phänomen nur auf die christliche Religion beschränken würde, könnte man meinen, da
ging ein paar besonders frommen Leutchen die Fantasie durch. Oder ein paar Kirchenherren wollten
ihren jeweiligen Kirchen oder Kapellen ein wenig mehr Zulauf – sprich Kollekten – verschaffen. Aber
das Phänomen ist weltweit und religionsunabhängig.
Was bloß ist so besonders an diesen Wunschstellen? Geht es um den Platz? Geht es um das Bauwerk?
Geht es um Psychologie? Geht es um die Menschen, die den wunderumwogten Ort danach brav aufsuchten und noch immer aufsuchen?
Was um Himmels willen steckt hinter den Wunschorten?
Sind es energetische Kraftorte? Gibt es da was, von dem wir Erdlinge keine Ahnung haben? Wer steckt hinter all dem?
Dieser große Unbekannte war bei den Zwangsmaßnahmen sehr erfinderisch und anpassungsfähig! Und
wenn nur ein Fünkchen wahr ist an diesen Schilderungen, vor allem denen mit den Beam-Madonnen,
dann müsste Unbekannt über – technologische, uns überlegene? – Möglichkeiten verfügt haben. Wer
sonst kann hölzerne Madonnenfiguren einfach so von Ort zu Ort beamen? Wer kann Stimmen aus dem
Himmel erschallen lassen? Wer vermag lichtstrahlende, oftmals durchsichtige und wie Hologramme
wirkende Frauengestalten in die Landschaft „strahlen“? Wer kann Baumaterial einfach so an den
Wunschort zurück“hexen“, wenn die Leute an einer bequemeren oder leichter erreichbareren Stelle
bauen wollten?

links
Abens: Marienfigur „beamte“ sich mehrmals von einer
Kirche in die Wunschkirche, Wallfahrt seit 1270.

rechts:
Die Schnepfenkapelle in Bimbach.
Dort „beamte“ sich im Jahr 1190 eine Marienfigur so lange
zum Fundort unter einem Wachholderstrauch zurück, bis
man ihr am Wunschort diese Kapelle erbaute.

Zusammen mit einem Team aus anderen forschungswilligen Autoren hat sich Gisela Ermel auf eine Reise begeben, auf der sie verschiedene Sagen gesammelt, Kapellen besichtigt und sogar mit Hightech-Equipement untersucht hat.

Die Legenden, Forschungsergebnisse und reichhaltige Fotodokumen-tation finden Sie in ihrem Buch
„Die gebeamte Madonna“

Paperback,
Din A5,
100 Seiten,
57 farbige Abbildungen,
12,50 €

erschienen im
Ancient Mail Verlag # Groß-Gerau

Zum Buch: Hinter der Ruine der kleinen Wallfahrtskirche Lichtenklingen im Odenwald verbirgt sich eine abwechslungsreiche und teilweise geheimnisvolle Geschichte. Dort, wo sich heute die romantischen Ruinenwände der Kapelle erheben, gab es in der Zeit der vorchristlichen Keltenzeit ein Quellheiligtum. Hier entsprangen zwei Quellen dicht beieinander.
Aber gerade in dieser Ecke des Odenwaldes deuten viele Spuren und Überlieferungen darauf hin, dass
hier merkwürdige Dinge passierten, die mit Göttinnen, Weißen Frauen und anderen „überirdischen“ Wesen zu tun hatten. Die Kelten verehrten hier den Flussgott Viscusius und praktizierten religiöse Riten auf einem Zeremonialplatz auf dem gleichnamigen Gipfel des Götzensteins bei Ober-Abtsteinach.
Ausgerechnet hier wurde um 1200 eine Kapelle errichtet, in der eine Madonnenfigur verehrt wurde, die
später für Aufregung und einigen Wirbel sorgen sollte, als man sie von dort in eine andere Kirche brachte,
von der sie mehrfach wie von Geisterhand wieder an ihren alten Standort „gebeamt“ wurde. In diesem
Buch präsentiert die Autorin die Ergebnisse ihrer umfangreichen Recherchen sowohl zu dieser Kapelle als
auch allgemein zum Rätsel ähnlicher Wunder, das noch lange nicht gelöst ist.

Inhaltsübersicht